Akin ben Hameen
Charakterliches
Vergangenheit
Es begab sich vor mehr als einem Jahrzehnt, dass der Händler Hameen, der der Sohn Fadis war, sich mit einer Karawane aufmachte, die große Wüste zu durchqueren. Hameen war Teppichknüpfer und jedermann lobte ihn für seine meisterlichen Werke. Zu jener Zeit nun brach er auf, um seine Teppiche in der Oase in den Bergen jenseits der Wüste zu verkaufen, der man im Kaiserreich vielerlei Legenden nachsagt und die von einem Fremden niemals betreten werden kann. Hameen war, wenngleich aus dem, wozu wir gern „einfache Verhältnisse“ zu sagen pflegen, ein stattlicher Mann mit kräftigem, tiefschwarzem Schopf und einem für einen Südländer anständig hohen Wuchs. Und so wundert es gar niemanden, dass er die wunderschöne Yasmin seine Gemahlin nennen durfte. Eine Frau, deren Haar so schwarz war wie die Nacht und deren Antlitz hoffnungsvoll strahlte wie die Sonne, wenn sie des Morgens aus dem Meer emporstieg und die küstennahen Gärten in warmes güldenes Tageslicht tauchte. Auch die Kinder des Paares waren von hübscher Gestalt. Die Söhne Akin und Fadi waren kräftig gebaut und ihre Gesichter wohl geformt. Und auch Leyla, der Tochter und jüngster Spross der Familie sagte man schon in der Wiege nach, wie wohlgeformt und märchenhaft ihr junges Antlitz sei.
Götter und Elemente schienen Gefallen an ihrem Blut gefunden zu haben. Und niemand dachte also, dass sich der Schatten so plötzlich und so dunkel über sie senken würde. Die Wochen zogen ins Land und irgendwann waren die Tage gekommen, in man im Dorf mit der Wiederkehr der Karawane gerechnet hatte. Aber die Tage kamen und gingen wieder, ohne dass auch nur eine Nachricht über den Verbleib der Männer eintraf. Die Sorge um den Liebsten, die mit jeder Woche, die nun verstrich, hoffnungsloser wurde, wurde zu tiefe Trauer. Einer Trauer, wie sie nur ein Herz erschüttern konnte, das von wahrhaftiger Liebe berührt war. Und obgleich die Liebe zu ihren Kindern Yasmin am Leben erhielt, fand das aufmunternde Lächeln, das in früheren Tagen wie ihre vollendeten Lippen zu ihr gehört hatte, nie wieder zu ihr zurück.
So also wuchsen die Kinder heran, des Vaters beraubt, die Mutter mit von Trauer erkrankter Seele und von den Anverwandten mit dem nötigsten zum Leben versorgt. Fadi und Leyla halfen nach Kräften, die Ordnung im Hause zu erhalten. Akin jedoch pflegte bald früh morgens das Haus zu verlassen erst zu später Stunde heimzukehren. Meist hatte er den Tag hier und da ein paar Münzen verdient und vom Basar hin und wieder ein paar zusätzliche Speisen heimbringen. Er hielt die gedrückte Stimmung im Hause kaum aus, ja er empfand sie als zutiefst unangenehm, denn er war von Natur aus ein frohes Gemüt, liebte die Leichtigkeit des Lebens und machte die Arbeit, die getan werden musste.
Die Jahre vergingen und Akin wuchs heran. Eines Tages, der Junge hatte nunmehr das sechzehnte Lebensjahr erreicht, lagerte eine Karawane etwas außerhalb des Dorfes um Wasser aufzunehmen und die Vorräte zufüllen. Und wie es seine Art war, bot auch Akin für ein paar Münzen seine Hilfe an. Er trug und Schleppte emsig, als gäbe es keine größere und höhere Pflicht zu erfüllen und so mag es nicht verwundern, dass Salih, der die Männer führte, an dem Jungen gefallen fand. Die Abschiedsworte waren herzlich aber kurz. Am frühen Morgen, weit bevor sich die Sonne über die Wüste erhob, brach Akin auf. Er drehte sich nicht um und ließ die Vergangenheit hinter sich.