Constantin Ewan Alastair
Familie
Charakterliches
"Sein Vater war Constantin immer eine Stütze in seinem Leben. Doch nun, da diese Stütze ihm entrissen wurde, mache ich mir grosse Sorgen. Sein Lächeln, das früher immer wie ein Lichtblick in düsteren Stunden war, ist verschwunden. Einzig seine Schwester vermag ihn manchmal zurück in längst vergangene Tage zu versetzen. In dieser Zeit muss ich meine Tränen zurückhalten, erinnert er mich doch so sehr an seinen Vater."
Selina Alastair, Mutter
"Er ist mein Augenstern, mein Licht in der Dunkelheit und mein Beschützer vor all dem Übel auf dieser Welt. Ich liebe ihn so sehr, dass es schmerzt, wenn ich ihn Tagelang nicht sehe. Ich hoffe, dass er irgendwann einmal zu seinem alten Selbst zurückfindet und mir immer der Bruder bleibt, nach dem sich mein Herz sehnt."
Lelith Alastair, Schwester
„N' Herz aus Gold, ne' strahlende Seele und hartnäckig wie n' sturer Esel. Kurzum; n' feiner aber n' bisschen gutgläubiger Kerl"
Viola Tania, Trotz der Strasse
"Gardist Alastair handelt nach seinen Prinzipien. Ein bisschen weniger Fanatismus, ein bisschen mehr Befehlstreue und wir hätten einen Soldaten mit Potential zu größerem. So, wie er sich im Moment verhält, werde ich ihn aber an Rogal geben müssen. Wieso habe ich nur das Gefühl, dass er dort besser aufgehoben sein wird?"
Liam Ambareth, ehemaliger Vorgesetzer
„Fürwahr... in diesem Mann fand ich nicht nur einen Bruder im Glauben, sondern etwas, was von unschätzbarem Wert ist. Was dies ist? Man vermag schwer in Worte zu fassen, was doch selbst nur tief im Inneren ruht...
Mein Geist - genährt ob seiner Worte, findend und festigend die Lehren unserer Herrin.
Mein Herz - gestärkt, von einer Umarmung geborgen und gewappnet gegen die Wirren meiner Selbst.
Meine Seele - fand das, nach was es ihr bedurfte. Einen Verwandten... in ihm.“
Ajax Calent, Glaubensschwester
„Schlachtenbruder Alastair... ein Mann der den Tugenden mit aufrechtem Herzen und scharfer Klinge folgt, er könnte wahrhaft groß sein unter den Dienern der Göttin, doch seine gutherzige Naivität wird ihm wohl immer im Wege stehen“
Arwan al'Asta, Glaubensbruder
Geschichte
„Guten Morgen mein kleiner Schatz.“
Die Stimme seiner Mutter wischte die restliche Müdigkeit von ihm und breit lächelnd, blickte er in ihr Gesicht.
„Morgen Mama.“, raunte er ihr als Antwort zurück und streckte sich herzhaft, wobei ihm ein Gähnen entfleuchte. Die Mutter setzte sich auf die Bettkante, ihn dabei beobachtend ehe sie mit ihrer mütterlich, liebevollen Stimme zu ihm meinte:
„Komm Constantin. Wir wollen doch nicht das Morgengebet vergessen mein Junge.“
Rasch setzte er sich auf und rutschte zu ihr hin. Gemeinsam falteten sie die Hände ineinander und sagten zusammen das Gebet auf.
Als sie die letzten Worte gesprochen hatten, warteten sie einige Sekunden lang, ehe Constantin auch schon aus dem Bett hüpfte um sich seine Alltagskleidung an zu ziehen. Wieder wendete der Junge den Blick seiner Mutter zu.
„Ist Lelith schon wach? Darf ich sie wecken? Was gibt es zum Frühstück? Was machen wir heute Mama?“
Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Die Mutter lachte herzlich auf, als sie ihren kleinen Jungen so aufgeregt und lebendig vor sich sah, bevor sie von der Bettkante aufstand um ihn an der Hand zu nehmen. Sie führte ihn aus seinem Zimmer heraus und ging mit ihm die Treppe herunter um zu der Küche zu gelangen. An dem runden Tisch, um den vier Stühle standen, sass bereits eine kleine Gestalt mit langen blonden Zöpfen. Sie kaute an einem Stück Brot herum und grinste den beiden breit zu.
„Ah. Lelith du bist ja schon wach.“
„Latürnich du Langschläfer du.“
Die kleine kicherte bei ihren Worten, als ob sie einen Witz erzählt hätte und biss sich wieder ein Stück von der Brotscheibe ab. Ohne etwas zu sagen, schob ihn seine Mutter zu einem freien Platz, an dem schon ein Teller und eine Tasse aufgetischt war.
„Iss dein Brot und trink deine Milch Constantin. Ich werde dir noch einige neue Buchstaben beibringen vor dem Mittagessen.“
Constantin rümpfte die Nase und knabberte dann mies gelaunt an seinem Stück Brot. Er mochte es nicht wirklich lesen und schreiben zu lernen. Auch wenn ihm seine Mutter gut zuredete, so würde er doch viel lieber draussen sein und mit den anderen Jungs spielen. Er hatte schon beobachtet, wie sie sich Schwerter aus Holz gebastelt hatten und damit Schwertkämpfe übten. Er wusste, um die stille Hoffnung seiner Mutter, dass er den Gefallen an den Schriften finden würde, damit er vielleicht in der Kirche aufgenommen wurde um Priester zu werden wie sie es war. Jedoch schaffte sie es nie, ihn von seiner wilden Art zu befreien oder ihn gar zu motivieren, freiwillig sich den Buchstaben zu zuwenden. Er konnte manchmal einen ziemlichen Dickschädel haben. Und der Entschluss, in der Garde zu dienen, wie es sein Vater tat, hatte er bereits gefasst. Davon konnte ihn niemand abhalten. Das wusste seine Mutter nur zu gut, war doch schon sein Vater teilweise ein richtiger Dickschädel.
Auch wenn es ihm nicht passte, so ass er doch artig sein Stück Brot auf und trank seine Milch aus. Er würde so rasch wie möglich lernen wie man liest und schreibt, denn so dachte er, hätte er dann viel mehr Zeit um auch mit den anderen Kindern draussen herumzutoben und mit den Holzschwerter zu üben.
16. Suiltain, 649 n. G.
Eine feine Decke aus Schnee und Eis, hatte sich auf den Dächern der Stadt nieder gelassen. Es war bewölkt und kein einzelner Sonnenstrahl konnte die Gemüter der Menschen erwärmen. Kaum jemand, ausser die Gardisten die ihre Runden drehten, war auf den Strassen unterwegs. Die Kälte schien alle Leute in ihre Häuser zurückgetrieben zu haben, wo sie sich vor entfachten Kaminen eine heisse Tasse Tee gönnten. Constantin sass in der Küche und blickte auf ein dickes Buch, das vor ihm auf dem Tisch ausgelegt wurde. Es handelte vom Zeitalter der Menschen und der Wiege des Schicksals. Tatsächlich war er von der Geschichte über die fünf Tränen und Avia so gefesselt, dass er alles um sich herum vergass. Als er den letzten Absatz zu Ende gelesen hatte, schloss er das Buch und blickte auf den Buchrücken. Seine Stirn legte sich in Falten als er über das Gelesene nach zu denken begann.
Er war so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er gar nicht bemerkte, als seine kleine Schwester den Tisch für das Mittagsmahl deckte. Ebenso wenig bemerkte er den Duft des Gemüseeintopfes der in seine Nase stieg und seinen Mund hätte wässrig machen müssen. Erst als Lelith ihn anstupste, schrak er aus seinen Gedanken heraus. Zu seinem erstaunen sassen Mutter und Schwester bereits am Tisch, und betrachteten ihn mit auffordernder Miene.
„Was ist denn?“
Meinte er vollkommen überrascht und auch ein wenig verwirrt. Seine Mutter lächelte ihm liebevoll entgegen.
„Da dein Vater nicht da ist, sprich doch du das Tischgebet Constantin.“
Es war keine Frage, sondern eine ziemlich deutliche Aufforderung von seiner Mutter. Er erwiderte ihr Lächeln verlegen und griff dann nach der Hand seiner Mutter und derer seiner Schwester. Er atmete noch einige male tief durch, um seine Gedanken wieder ins hier und jetzt zu befördern, ehe er laut und deutlich sprach.
Im Anschluss an das kurze Tischgebet, sagten die drei noch ein Amen, ehe die Mutter den Kindern zuerst Eintopf in den Teller schöpfte und dann sich selber.
„Lasst es Euch schmecken meine Lieben.“
Sie lächelte ihren beiden Kindern fröhlich zu, die sich sogleich einen Löffel voll in den Mund stopften. Es war ihr ein grosser Lohn zu sehen, dass ihren Kindern das Essen schmeckte. Auch sie begann zu essen und war dann doch überrascht, als Constantin seinen Löffel wieder ablegte und das Wort ergriff.
„Mutter… du warst doch eine Wanderpriesterin ehe du Papa geheiratet hast oder?“
Ein Schmunzeln huschte über ihre Lippen bei der Frage. Als Antwort nickte sie ihm zu.
„Ich habe vor dem Mittag noch die Geschichte über Avia gelesen und den Spiegel… der die Türe zur Anderswelt ist. Weißt du, was das für fünf Leute waren, die Avia besucht hat?“
Einen Moment lang dachte seine Mutter über die Worte nach.
„Der Mann, der Priester der die Träne des Feuers Avia mitgegeben hat, war wie ich denke, ein Mann aus dieser Region hier. Auch wenn sich dies schwer sagen lässt. Die Frau, die durch die Wüste wanderte, muss eine Vorfahrin vom Wüstenvolk, den Verborgenen gewesen sein. Der Mann auf dem Schiff, war, wie ich denke, ein Mann aus dem Norden. Sie lieben die Seefahrt wie ich hörte. Dann waren da noch der Magier und die Druidin. Über sie kann ich dir leider nichts sagen mein Sohn.“
Seine Stirn legte sich wiederum in Falten als er über die Worte seiner Mutter nachdachte.
„Was meinst du Mutter. Hat Avia auch einen Plan für mich? Was aus mir werden soll?“
„Natürlich mein Sohn. Irgendwann wirst du ein Zeichen von ihr kriegen. Und dann wirst du auch ganz intuitiv wissen, was du tun musst. Sie leitet unser aller Wege weißt du. Zumindest solange man den Glauben in sie nicht verliert. Und selbst dann, ist sie schon so manchem erschienen, um ihm den Glauben und die Hoffnung zurück zu geben.“
Er nickte sachte und ass dann still weiter. Seine Mutter sprach nun mit seiner kleinen Schwester, doch hörte er das Gespräch schon gar nicht mehr. Vielmehr dachte er darüber nach, was für ein Zeichen Avia ihm wohl geben würde. Er hoffte darauf, dass er ihr dienen konnte mit seinen Taten und nicht mit seinen Worten. Er mochte es sowieso nicht, wenn die Leute immer so viel sprachen. Für ihn war es viel interessanter etwas zu machen, und Avia direkt zu zeigen, dass man sie mochte, als Stundenlang über irgendwelchen Schriften zu sitzen. Verträumt blickte er auf seinen Teller und ass gemächlich weiter. Vielleicht durfte er ja einmal ein Schwert in ihrem Namen führen. Bei dem Gedanken huschte ein sanftes Lächeln über seine Lippen. Das wäre wirklich toll.
04. Dudlachd, 652 n. G.
Die Sonne hatte schon bereits seit einigen Stunden den Zenit überschritten, als Constantin von seinem Vater, der an diesem Tag Dienstfrei hatte, in den Garten gerufen wurde. Sein Vater stand neben einer mit Stroh ausgestopften Puppe, die in etwa gleich gross war wie Constantin. Der Junge blickte seinen Vater mit fragender Miene an, als dieser nur ein Grinsen für ihn übrig hatte und als Antwort ein hölzernes Schwert hervor nahm.
„Hier mein Sohn. Es ist an der Zeit, dass du die Grundtechniken des Schwertkampfes erlernst. Ich habe dir diese Puppe gebastelt, damit du jeden Tag üben kannst. Auch wenn es deine Mutter wahrscheinlich nicht sehr gerne sieht, so musst du doch jeden Tag üben.“
Erfreut über die Worte seines Vaters, eilte der Junge zu ihm und nahm strahlend das Holzschwert entgegen. Vollkommen aufgeregt wandte er seinen Blick zu seinem Vater.
„Ich bin bereit Vater. Zeig mir alles was du weißt. Ich will sofort anfangen zu üben. Ich will ja auch so stark werden wie du.“
Ruben lachte herzlich bei den Worten seines Sohnes und schüttelte sachte den Kopf, ehe er ihm das lange Haar zerzauste.
„Du sollst nicht nur so stark wie ich, sondern noch viel stärker werden mein Sohn. Weißt du, es ist immer gut wenn man höhere Ziele sich vornimmt, als man vielleicht glaubt zu erreichen. Aber du solltest es immer versuchen. Auch wenn dich andere als Verrückt erklären… Träume sollte man verwirklichen wenn man noch jung ist. So wie du.“
Constantin legte seine Stirn in Falten und nach einiger Zeit des Nachdenkens nickte er seinem Vater zustimmend zu. Er drehte das Schwert einige Male in der Hand hin und her.
„Gut. Fangen wir an Constantin. In der Theorie gibt es genau vier verschiedene Angriffsmöglichkeiten. Natürlich unterscheidet sich die Praxis sehr stark von der Theorie. Doch um das alles zu verstehen, erkläre ich es dir erst einmal.“
Ruben wartete einen Moment ab, um auch sicher zu gehen, dass ihm sein Sohn zuhörte und vor allem, dass er verstand, was er ihm da beizubringen versuchte. Natürlich behielt Constantin seine Ohren gespitzt und versuchte so geduldig wie möglich den Worten seines Vaters zu lauschen.
„Also. Die vier Trefferzonen sind Kopf, Schulter, Rippen und Beine. Wir fangen gleich mit dem Rippenschlag an, weil dies wohl die einfachste Angriffstechnik ist. Du musst dir aber auch immer bewusst sein, dass du nicht nur die Angriffe, sondern auch Paraden erlernen musst. Stell dich vor die Puppe und mach meine Bewegungen nach.“
Constantin stellte sich vor die Puppe und wartete ab, bis sein Vater neben ihm stand und sein Schwert aus der Halterung gezogen hatte.
„Du musst immer auf deinen Stand achten. Am besten hältst du die Beine nicht zu nah aneinander und gehst ebenfalls leicht in die Knie. Um einen Rippenschlag auszuführen musst du links oder rechts von dir ausholen. Achte darauf, dass die Klinge stets gerade ist und deine Arme müssen während der gesamten Attacke gestreckt sein. Dann führst du den Schlag horizontal auf Rippenhöhe des Gegners aus.“
Sein Vater führte einen kräftigen Schlag, der die Luft zu zerschneiden schien und stoppte die Attacke als die Klinge direkt von ihm wegdeutete. Constantin nickte kurz und holte, wie sein Vater es gezeigt hatte aus und führte einen raschen Schlag auf die Puppe aus.
„Genau so! Achte aber wie schon gesagt auf deine Füsse. Du musst ein wenig mehr in die Knie um auch einen sicheren Stand zu halten. So kannst du auch viel mehr Kraft in den Angriff hineinbringen. Jedoch sollte es dir immer möglich sein den Schlag sofort zu stoppen. Falls der Gegner ausweicht und du ins Leere triffst. Nicht dass dich die Wucht deines eigenen Schlages aus dem Gleichgewicht bringt. Darum übe auch fleissig ohne Puppe und schlag in die Luft. Versuche dabei den Schlag zu stoppen, so wie ich es soeben gezeigt habe. Hast du das soweit verstanden?“
Constantin trat einen Schritt zurück und führte den Schlag noch einmal aus, ohne jedoch die Puppe zu treffen. Stattdessen stoppte er den Schlag, genau wie es sein Vater vorgezeigt hatte. Er musste jedoch einen Ausfallschritt machen um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Oh… ich verstehe was du meinst Vater. Ich werde auch ganz fleissig üben.“
„Sehr gut mein Sohn. Wenn du den Rippenschlag verstanden hast, werden dir die anderen Angriffe nicht schwer fallen. Denn das Prinzip ist immer das Selbe. Nehmen wir zum Beispiel den Schulterschlag. Anstatt neben deiner Brust auszuholen hebst du das Schwert über die rechte oder linke Schulter an. Achte dabei, dass das Schwert nicht die Überhand kriegt und dich nach hinten zieht. Darum hohle nur soweit aus, bis die Schwertspitze direkt in den Himmel zeigt. Den Schlag führst du dann so aus, dass du auf die Schulter des Gegners zielst. Wenn du den Schlag dann weiterdenkst, müsste das Schwert durch seinen Körper gleiten und unterhalb seiner Rippen, auf der anderen Seite aus dem Körper heraustreten. Natürlich wird dies nie möglich sein, denn soviel Kraft besitzt wohl kaum ein Mensch. Um dem Schlag noch ein wenig mehr Kraft zu verleihen, kannst du zum Beispiel in dem Moment, wo du die Schulter triffst, auf ein Knie niedersinken und so den Schwung des Schlages noch weiterziehen. Das wäre zusätzlich zum Schulterschlag noch ein Kniefall.“
Ruben hob das Schwert über seine linke Schulter und führte dann den Schlag aus. Mitten in der Bewegung sank er noch auf ein Knie nieder und kurz bevor die Klinge den Boden berührte, fing er den Schlag auf. Er erhob sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust, um Constantin zusehen zu können. Der Junge atmete tief ein und versuchte dann den Schlag ebenfalls auszuführen, was ihm sogar einigermassen gelang. Zumindest verlor er das Gleichgewicht nicht und traf auch die Schulter der Puppe. Zufrieden lächelnd nickte sein Vater.
„Sehr gut mein Junge. Ich sehe schon, du hast Talent. Zu den anderen beiden Techniken möchte ich jetzt noch nichts sagen. Ich bin mir sicher, dass du es selber herausfinden wirst. Zumal sie sehr ähnlich mit den beiden Techniken sind, die ich dir gezeigt habe. Ich lasse dich jetzt alleine etwas üben. Wenn du alle Techniken beherrscht, findest du vielleicht sogar einige Angriffsabläufe heraus. Dann zeige ich dir auch noch wie du richtig zu parieren hast. Falls du es denn nicht selber herausfindest. Ich bin gespannt auf deine Fortschritte.“
Er zerwuschelte ihm noch einmal die Haare, ehe er sich lachend umwandte und zurück ins Haus ging. Constantin blieb stumm stehen, war er doch ein wenig enttäuscht, dass ihm sein Vater nicht zusehen wollte oder ihm noch weitere Dinge zeigte. Er schüttelte den Gedanken ab und richtete seinen ernsten Blick zurück auf die Übungspuppe. Jedenfalls würde er diese Techniken lernen und meistern. Er wollte seinen Vater unbedingt stolz machen.
Constantin übte den ganzen restlichen Nachmittag an der Puppe. Er bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging, so dass er bald die Rufe seiner Mutter hörte, die ihn bat zum Abendmahl zu erscheinen. Erst jetzt bemerkte er wie erschöpft ihn diese Übungen gemacht hatten. So gesellte er sich zu seiner Familie an den Tisch und seine kleine Schwester Lelith sprach voller Begeisterung und Freude das Tischgebet.
Als sie das Tischgebet beendet hatte, betrachtete er die kleine Lelith noch einen Moment lang. Schmunzelnd widmete Constantin sich dann seinem Teller. Er würde mehr Zeit mit seiner kleinen Schwester verbringen und nebst den Übungen seines Vaters auch immer noch fleissig die Texte lesen, die Lelith so sehr mochte. Bestimmt würde sie sich darüber freuen.
23. Giblean, 655 n. G.
Schweiss perlte an seiner Stirn und lief ihm in die Augen hinein. Mit dem Handrücken wischte er sich über das Gesicht, sein Atem ging schnell. Die Sonne verschwand bereits hinter dem Horizont, als Constantin sein Schwert zurück in die lederne Halterung steckte und tief durchatmete. Seit dem Abendmahl hatte er hart trainiert an der Puppe, die sein Vater ihm vor Jahren schon gebaut hatte. Er durchquerte den Garten und griff sich ein Handtuch, das er bereitgelegt hatte, um sich den Schweiss vom Gesicht zu wischen. Sein Vater war immer noch nicht von seinem Dienst zurückgekehrt, so hatte er sich kurzum entschlossen alleine an seinen Techniken weiter zu arbeiten. Mit Stolz blickte er auf die vergangenen Jahre zurück. Nicht nur er war zufrieden mit sich selber, sogar sein Vater unterliess es nie, ihn zu loben für die Fortschritte, die er gemacht hatte. Auch wenn er jeden Zweikampf mit seinem Vater bisher verloren hatte, so bemerkte er doch, dass er immer mehr Mühe hatte seine Angriffe zu parieren. Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen als er diesen Gedanken nachging und wieder zurück ins Haus trat. Er fühlte die Müdigkeit in seinen Gliedern, und so wollte er sich noch kurz waschen, ehe er den Weg in sein Bett fand. Er verzichtete an diesem Abend sogar darauf, noch weiter an seiner Nachtlektüre zu arbeiten, sondern ging direkt ins Bett. Er schloss die Augen und faltete die Hände ineinander, bevor er leise das Nachtgebet sprach.
Es war mitten in der Nacht, als Constantin aus seinem Schlaf schreckte und kerzengerade in seinem Bett sass. Sein Oberkörper war mit Schweiss überzogen, doch konnte er nicht genau sagen, warum er aufgewacht war. Der erste Gedanke galt einem schlechten Traum, doch konnte er sich gar nicht erst an einen Traum erinnern. Zumindest fühlte er sich hellwach und daran zu denken, weiter zu schlafen konnte er erst gar nicht. So schwang er die Füsse über die Bettkante und auf leisen Sohlen machte er sich daran, sein Zimmer zu verlassen und in die Küche zu huschen, wo er sich einen Becher mit Wasser holen wollte. Durch die Fenster sah er den sternenklaren Himmel und den Mond, wie er die Dunkelheit der Nacht dennoch erhellte. Mit dem Becher in der Hand, trat er in den Garten hinein und liess sich auf dem Bank an der Hauswand nieder, den Kopf in den Nacken gelegt um die Sternbilder zu bewundern. Selten war es so ruhig in der Stadt wie in dieser Nacht. Tatsächlich war überhaupt nichts von dem Alltagslärm zu hören. Es kam ihm gar so vor, als würde die gesamte Stadt in ruhigem, tiefen Schlaf liegen. Erst, als er schwere Schritte vernahm tauchte er aus seinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Ein leises Klicken war zu vernehmen, als sich die Türe zu seiner Rechten öffnete und eine grosse Gestalt, die sich als sein Vater herausstellte über die Türschwelle in den Garten hinein trat.
„Du kannst wohl nicht schlafen Constantin?“ erklang die tiefe Stimme seines Vaters, als er sich neben Constantin auf dem Bank niederliess und ebenfalls die Sterne betrachtete. Constantin richtete seinen Blick auf seinen Vater und betrachtete diesen einen Moment lang.
„Ich bin wohl nicht der Einzige. Du scheinst auch nicht gerade schläfrig zu sein Vater.“ Erst wanderten seine dunkelbraunen Augen über das Gesicht seines Vaters, der sanft lächelte, ehe seine Aufmerksamkeit der Halskette seines Vaters galt. Er sah nicht zum ersten Mal die silbrige Kette, die nun im Mondlicht noch schöner glänzte als sonst, mit dem ebenso silbrigen Anhänger in Form eines Drachens.
„Ich habe dich das noch nie gefragt Vater, doch wieder fällt mir auf, dass du diese Halskette anhast, solange ich mich erinnern kann. Woher hast du sie? Und warum der Drache?“ Wie aus einem inneren Reflex heraus, sprach er im Flüsterton, so als ob er Angst hätte, jemanden aus dem Schlaf zu reissen, oder gar die gesamte Stadt um den Schlaf zu bringen. Sein Vater senkte den Blick und hob den Anhänger sachte an um ihn ebenfalls zu betrachten.
„Dies ist eines der wenigen, wenn nicht sogar das einzige Familienerbstück, das wir besitzen mein Sohn. Seit vielen Generationen wird es vom Vater an den erstgeborenen Sohn weitergegeben. Und so wirst auch du eines Tages diese Halskette von mir geschenkt bekommen. Die Tradition will es, dass man es dem Sohn übergibt, an dem Tage, an dem er zu einem Mann wird. Dies hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern ist vielmehr an das geistige Alter gebunden.“
„Also hast du es von deinem Vater erhalten, und der von seinem und so weiter? Doch warum der Drache? Warum ist es nicht ein Symbol oder ein anderes Tier?“
Ruben dachte einen Moment lang über die Worte seines Sohnes nach, ehe er diesem antwortete.
„Ich kann dir nur sagen, was mir mein Vater damals erzählt hat. Es ist gut möglich, dass die wahre Bedeutung in all den Generationen verloren gegangen ist. Jedoch sagt man dass der Drache Schutz und Glück bringen soll, demjenigen der diese Kette trägt. Auch soll er uns immer wieder daran erinnern, dass wir den Glauben nie verlieren sollen. Den Glauben an die Göttin, den Glauben an Wunder und den Glauben an uns selbst.“
Er hielt inne und liess diese Worte auf seinen Sohn wirken ehe er wieder das Wort ergriff.
„Eines musst du dir jedoch verinnerlichen mein Sohn. Zu dieser Kette gibt es auch eine Botschaft. Eine Botschaft die selbst ich nicht ganz entschlüsseln konnte, doch versuche dich nach dieser zu richten. Mein Vater sagte es auch zu mir. Wenn du soweit bist, wirst du die Botschaft verstehen.“
Constantins Stirn legte sich in Falten als er seinen Vater mit fragendem Blick betrachtete. Jedoch sagte er nichts weiter darauf und wartete geduldig ab bis sein Vater wieder das Wort ergriff. Nie zuvor verinnerlichte er sich die Worte seines Vaters so sehr wie in dieser Nacht. Und noch lange danach, als er bereits wieder in seinem Bett lag und versuche Schlaf zu finden, hallten die Worte in seinem Kopf wider. Verstand er ihre Bedeutung wirklich nicht? Sagten diese wenigen Worte viel mehr aus als sie den Anschein machten? Es musste sich vielmehr dahinter verbergen, wenn sogar sein Vater zugeben musste, dass er ihre Bedeutung noch nicht verstand. Lange dauerte es, bis ihn die Müdigkeit und der Schlaf wieder einholten während seine Gedanken um die Worte seines Vaters kreisten.
Die Sonne erhob sich über dem Horizont und erhellte die Stadt des Glanzes. Sie erwachte wieder zu neuem Leben und immer mehr Leute waren auf den Strassen zu sehen. Marktstände wurden eröffnet und die Händler priesen ihre Waren an. Frisches Fleisch und Gemüse wurde verkauft. Einige Händler riefen laut dazu auf, Tücher und Stoffe bei ihnen zu kaufen. Die Menge teilte sich als schwere Schritte und metallenes klirren zu hören war. Eine Patrouille der Stadtgarde bahnte sich ihren Weg über den Marktplatz. Zielstrebig, schon fast in Eile überquerten die Gardisten den Platz und verschwanden in einer Gasse, zwischen zwei Häuserreihen.
Constantin sass am Küchentisch und war in einem Buch und seinen Gedanken vertieft. Die Mutter und Schwester waren bereits früh an diesem Morgen aus dem Haus gegangen um Einkäufe zu erledigen. Zur Freude seiner Mutter widmete er sich den Büchern, die sie ihm auf den Küchentisch gelegt hatte. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als es laut an der Türe klopfte. Noch ehe er sich von seinem Stuhl erheben konnte war das Klopfen erneut zu hören. Dieses Mal noch viel lauter und drängender als zuvor. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten als er zur Türe ging um diese zu öffnen. Constantin war überrascht als er einen älteren Mann mit ernster Miene vor sich stehen sah. Hinter ihm erkannte er zwei Gardisten, die ihn begleiteten.
„Hauptmann Arvalle?“
Der Hauptmann nickte ihm zu, ohne eine Miene zu verziehen.
„Constantin nehme ich an? Ist deine Mutter zu sprechen?“
Constantin konnte seine Überraschung nicht verbergen, als er langsam den Klopf schüttelte.
„Sie ist mit meiner Schwester auf den Markt gegangen.“
Für einen kurzen Moment schien der Hauptmann nach zu denken, bevor er ohne Aufforderung eintrat und Constantin zur Seite schob.
„Wartet hier auf mich und schickt nach der Mutter. Constantin, setz dich, wir müssen miteinander sprechen.“
Überrascht und verwirrt zugleich begab sich der Junge zurück in die Küche und liess sich auf einem der Stühle nieder. Er hörte, wie die Türe hinter dem Hauptmann geschlossen wurde und dieser zu ihm in die Küche trat. Sein Blick wanderte zu den Büchern, ehe er wieder Constantin fixierte.
„Du interessierst dich also für die Geschichte des Reiches? Dann weisst du bestimmt auch vieles über Avia und unseren Glauben?“
Stumm stimmte er dem Hauptmann zu. Abwartend war sein Blick auf diesen gerichtet, wusste er doch immer noch nicht, was der Hauptmann hier wollte.
„Wir alle nehmen einen Platz und eine Aufgabe ein. Nur Avia selbst weiss, wie wir handeln und warum. Ihre Wege sind manchmal unergründlich und es ist uns nicht immer bestimmt es zu verstehen. Wir müssen lediglich lernen damit zu leben.“
Constantin liess die Worte auf sich wirken, bevor er selbst den Mund öffnete und zu sprechen begann.
„Ich weiss. Doch was wollt ihr mir sagen? Ihr seid doch nicht hier um mich über den Glauben zu belehren Hauptmann Arvalle?“
Der Hauptmann atmete schwer ein und ein Seufzer kam über seine Lippen. Sachte schüttelte er den Kopf. Seine Miene wirkte nun nicht mehr so starr wie bisher und in seinen Augen konnte Constantin nur noch Trauer erkennen.
„Reiss dich zusammen Junge! Ich weiss, dass es schwer zu glauben ist, doch musst du jetzt Ruhe bewahren. Denk an deine Mutter und deine Schwester. Sie brauchen dich!“
Wut stieg in Constantin auf, als er zurücktrat und die Arme des Hauptmannes weg schlug.
„Nein! Ihr lügt! Mein Vater ist stärker als jeder andere in der Garde!“
Arvalle schluckte die wütende Antwort herunter und versuchte stattdessen ruhig zu bleiben.
„Dein Vater war stark. Viele Leben konnten durch sein selbstloses Opfer gerettet werden. Er hatte ein reines Herz und hat sein Leben gegeben um das Reich zu schützen.“
Ein Kloss schnürte Constantin die Kehle zu und Übelkeit stieg in ihm hoch. Der Hauptmann griff in einen Beutel, der an seinem Gurt hing. In der Hand der Hauptmannes erkannte Constantin eine silbrige Kette mit einem Anhänger in Form eines Drachen. Sofort wusste er, dass dies die Halskette seines Vaters war. Mit zittrigen Händen nahm er sie entgegen und blickte starr auf sie nieder.
„Ruben gab mir diese Kette noch bevor ihn die letzte Lebenskraft verliess. Er sagte mir, dass du nun bereit seiest, sie an dich zu nehmen. Er hat dich geliebt Constantin. Wir alle werden einen Kameraden und guten Freund vermissen.“
Constantin starrte auf die Kette. Er hörte die Worte des Hauptmannes nicht mehr. So hörte er auch nicht, wie unkontrolliert die Stimme Arvalles zitterte. Die Übelkeit stieg wieder in ihm hoch, als sich die Welt um ihn herum zu drehen begann. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und der Boden näherte sich ihm rasend schnell. Er fühlte, wie ihn zwei starke Arme auffingen noch ehe er auf den Boden knallte. Eine tiefe Stimme sprach zu ihm. Stumpf und unverständlich drangen die Worte an seine Ohren. Doch verstand er sie nicht. Nur ein Gedanke blieb ihm, ehe die Dunkelheit Besitz von Constantin ergriff. Sein Vater war tot.
Kälte drang durch seine spärliche Kleidung, erfüllte seine Glieder und umschloss seine schmerzenden Knochen. Ohne sich zu rühren, blieb er eine Weile auf dem Rücken liegen, ehe er es wagte die Augen zu öffnen. Er sah nichts, ausser weissen wabrigen Wolken, die ihn umschlossen wie eine zähflüssige Masse. Ächzend stemmte er sich in die Höhe, um dem eiskalten Fussboden zu entfleuchen. Es kostete ihn mehr Kraft sich auf die Füsse zu bringen, als er es befürchtet hatte. Tatsächlich waren seine Glieder so stark von der Kälte eingenommen, dass ihm jede einzelne Bewegung schwer fiel. Als er wieder auf den Beinen war, schüttelte er sich, als ob er damit die Kälte von sich schmettern könnte. Erst jetzt fasste er wieder einen klaren Gedanken und zumindest sein Geist, schien nicht mehr von der Kälte erstarrt zu sein. Was war geschehen und wo war er? Diese ersten Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Noch ehe er sich in weiteren Gedankengängen hätte verirren können, glaubte er aus den Augenwinkeln einen Schatten entdeckt zu haben. Spielten ihm seine überreizten Sinne einen Streich? War der Schatten nur eine Manifestation seiner Einbildung? Er schüttelte rasch den Kopf, wobei sein Haar durch sein Gesicht strich, um die weiteren Gedanken weg zu wischen. Seiner aufkommenden Neugierde konnte er nicht widerstehen, und so ging er langsam, mit vorsichtigen Schritten in die Richtung, in welche er den Schatten vermutete. Einen Schritt vor den anderen setzend, immer darauf bedacht wohin er trat, ging er schleppend langsam weiter in den dichten Nebel hinein. Nach vielen Schritten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam sah er klar und deutlich, verschwommen im Nebel vor sich, eine Gestalt die sich von ihm fortbewegte. Ein Gefühl der Vertrautheit breitete sich tief in ihm aus, als er die Gestalt betrachtete und er nach einiger Zeit, die Art wie sie sich bewegte erkannte. Seine Augen weiteten sich und er liess alle Vorsicht von sich fahren, als er loszurennen begann. Eine neue Kraft wurde in ihm entflammt, die die Kälte aus seinen Gliedern löschte und ihn anspornte immer weiter zu rennen, auf die Gestalt zu. Er schrie, so laut er nur konnte: „Vater! Vater warte auf mich!“
Doch egal wie schnell er rannte, wie sehr er sich auch anstrengte, kam er der Gestalt, seinem eigenen Vater einfach nicht näher. Als ob ein unsichtbarer Schild zwischen den beiden liegen würde, blieb die Distanz zu seinem Vater immer gleich gross. Hörte er ihn nicht? War es nicht sein Vater, der dort vor ihm stand und auf ihn wartete? Sein Atem ging immer schneller und schwerer. Er wollte nicht aufgeben, er konnte nicht aufgeben. Doch egal wie stark sein Wille auch war, sein Körper war es nicht. Von einer Sekunde auf die andere entwich all seine Kraft aus den Beinen und er sackte keuchend in sich zusammen. Er wagte es jedoch nicht den Blick von seinem Vater zu nehmen. Und so sah er, wie sich die Gestalt zu bewegen begann und sich zu ihm umwandte. Immer noch sah er nichts anderes als ein graues Schemen, der die Umrisse seines Vaters hatte. Er glaubte zu wissen, dass er ihn in diesem Augenblick anlächelte, ohne sein Gesicht überhaupt betrachten zu können. Leise, mit flehender Stimme kamen die Worte über seine Lippen: „Vater. Verlass mich nicht. Ich brauche dich.“Noch einige Sekunden verharrte die Gestalt auf der Stelle, ehe sie sich langsam wieder von ihm abwandte und sich der graue Schemen mit dem Nebel zu vermischen begann, bis er gänzlich aus seinem Blickfeld verschwand. Auch wenn er nur das weiss und grau des Nebels um sich wahrnehmen konnte, so verschwamm doch das Bild vor seinen Augen, als sie sich mit Tränen füllten, die langsam an seinen Wangen herunter rannen und sich an seinem Kinn sammelten, um an diesem stetig herunter zu tropfen. Er sank zurück auf den harten Boden, bereit die Umarmung der eisigen Kälte zu empfangen und seinen letzten Schlaf anzutreten. Seine Augen schlossen sich. Nur noch Müdigkeit fühlte er in sich. Trauer.
Regungslos lag er da, sein einziger Begleiter war die Kälte und Dunkelheit, die ihn umgab und fest in deren Umarmung hielt. Leise, aus weiter Ferne hörte er ein summen. Lieblich drangen diese feinen Töne an seine Ohren und bewegten ihn noch einmal dazu die Augen zu öffnen. Immer noch wurde er von dem kühlen und feuchten Nebel umschlungen, doch veränderte sich etwas in seiner Umgebung. Ein sanfter, aber dennoch warmer Wind strich über seine Wange, wie eine flüchtige Berührung einiger Fingerspitzen. Die Nackenhaare standen ihm zu Berge, als der Wind stärker wurde, und er die aufkommende Wärme nun deutlich zu spüren begann. Wie viele, kleine Hände zupfte der Wind an seinen Kleidern und vertrieb auch allmählich die Kälte aus seinen Knochen. Der Nebel um ihn herum fing an sich in der Luft tanzend zu bewegen. Wenn auch er nicht verschwand, so schien der doch vor ihm zurück zu weichen, und bildete gar eine Gasse, in der Richtung, in die Constantin blickte. Ohne, dass er sich dazu anstrengte, oder auch nur den Gedanken gefasst hatte, bewegte sich sein Körper und drückte sich von dem Boden ab, stellte ihn wie von Geisterhand wieder auf die Beine. Der Wind tanzte um ihn herum, schien ihn gar zu unterstützen, als er aufstand und drückte sich ihm dann in den Rücken. Als würde er vorangetrieben, setzte er wieder einen Fuss vor den anderen, verwundert zu sehen, wie der Nebel vor ihm zur Seite wich und die Gasse immer länger wurde. Bis an ihrem Ende, er eine zierliche Gestalt sehen konnte, gehüllt in ein weisses, strahlendes Kleid. Doch war es nicht das Kleid, sondern die Gestalt selbst, welche die Quelle dieses Lichtes darstellte. Wie als ob er in die Sonne blicken würde, blendete sie ihn, doch wich er nicht zurück, sondern ging immer weiter auf sie zu. „Constantin… komm zu mir… folge dem Pfad.“
Sanft erklangen die Worte der jungen Frau, klar und deutlich schienen sie sich ihren Weg durch den Nebel zu bahnen. Constantin trat bis zu der jungen Frau hin, deren Gesicht und Körper weiterhin im Licht getränkt war, so dass er keine Einzelheiten ausmachen konnte. Langsam hob sich die rechte Hand der jungen Frau und streckte sich ihm entgegen. Sichtlich zögerte der junge Mann, doch dann streckt er seine linke Hand aus, um sie in diejenige der Frau zu legen. Fest wurde seine Hand umschlossen, die junge Frau trat näher und legte ihm ihre andere Hand auf seine rechte Wange. Das Licht erstrahlte in solcher Helligkeit, dass Constantin die Augen fest schliessen musste um nicht von ihr geblendet zu werden. Das letzte bisschen an Kälte wurde aus seinem Körper herausgewaschen und macht dem Gefühl, wohliger Wärme Platz, die sich von seiner rechten Wange auszubreiten begann.
Als er die Augen wieder öffnete und sich das Bild vor seinen Augen zu klären begann, sah er in das Gesicht einer jungen Frau, auf deren Lippen ein sanftes Lächeln haftete. Er spürte die Wärme ihrer Hand auf seiner rechten Wange und langsam öffnete sich sein Mund, so dass ein einzelnes Wort über seine Lippen kam, ehe sich die Erschöpfung über ihn ausbreitete und er zurück in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
Als er aus seinem tiefen Schlaf erwachte, fand er sich in einer fremden Umgebung wider. Es war ihm zunächst schleierhaft wo er sich befand. Das kleine Zimmer hatte nur ein Fenster und auf der gegenüberliegenden Seite eine Türe. Er lag in einem Holzbett auf einer gut gefütterten Matratze. Als er die dicke Wolldecke von seinem Körper weg zog, musste er feststellen, dass er nur ein dünnes Nachthemd trug. Sein Blick schweifte wieder durch den Raum. Über einen Stuhl gelegt erkannte er seine Alltagskleidung. Das Nachthemd legte er zurück auf das Bett und zog seine Kleidung an, als er die Kette bemerkte, die um seinen Hals hing. Er liess sich zurück auf das Bett sinken und ihm wurde bewusst, dass er nicht geträumt hatte, sondern der Tod seines Vaters pure Wirklichkeit war. Nie wieder würde er seinen Vater sehen. Er unterdrückte die Tränen, die in seine Augen steigen wollten und stemmte sich in die Höhe. Erst müsste herausgefunden werden, wo er sich befand. Mit der rechten Hand umschlang er den Anhänger und trat zur Holztüre, die sich langsam öffnete.
Ziellos wanderte er im Kloster umher, tief in seine Gedanken versunken. Es war bald Zeit in die Stadt zurück zu kehren. Wieder fragte er sich, was es mit diesem Traum auf sich hatte. War es wirklich nur ein Traum gewesen? Er war sich jedoch sicher, dass er das Gesicht der jungen Frau tatsächlich gesehen hatte. Die vergangenen Stunden und Tage, war es ihm ein Anliegen gewesen, mehr über diese Frau heraus zu finden. Doch als er bei den Priestern nachfragte, wussten diese scheinbar nichts. Auch wenn er das Gefühl nicht loswurde, dass sie ihm etwas verschwiegen, hatte er doch nicht das Recht tiefer zu graben. Immer aufmerksam, durchwanderte er das Kloster mehrere Male, doch sah er die junge Frau nirgends. Er erinnerte sich wieder an die Worte seines Vaters, die er ihm so oft gesagt hatte, als er noch ein Kind war. Avia hatte für jeden einen Weg vorhergesehen. Irgendwann würde auch Constantin seinen Weg finden. War der Traum ein Zeichen Avias gewesen, oder war es nur seiner Vorstellungskraft entsprungen, die ihm vorgegaukelt hatte, dass es ein Zeichen Avias war? Constantin schüttelte den Kopf. Auch wenn es ein Zeichen gewesen war, kannte er doch seine Bedeutung nicht. Es war ihm auch klar, dass er schlussendlich selber die Entscheidungen treffen musste. Wieder einmal kehrte er in sein Zimmer zurück um die letzten Vorkehrungen für seine Abreise und die Rückkehr in die Stadt des Glanzes zu treffen.
Seit er aufgewacht war, hatte sich sein Blick kaum verändert. Seine Miene wirkte immerzu starr und emotionslos. Ein Lächeln war nie auf seinen Lippen zu erkennen. Er wirkte keineswegs unfreundlich, doch die Leute, die ihn umgaben, beschrieben ihn als distanziert.
Constantin rümpfte die Nase als ihm der Wind, die Haare in sein Gesicht wehte. Mit einer eher beiläufigen Bewegung, strich er seine Haare zurück und regte sich im Sattel. Auch wenn sein Vater ihm gezeigt hatte, wie man auf einem Pferd reiten musste, ohne herunter zu fallen, so bewahrte ihn dieses Wissen doch nicht von den Schmerzen, die sich in seinem Hinter breit machten. Tief atmete er ein und war erleichtert, als am Horizont die ersten Dächer der strahlenden Stadt auftauchten. Während dem Aufenthalt im Kloster und der anstrengenden Reise zurück in die Stadt, hatte Constantin viel Zeit damit verbracht nach zu denken. Es war an ihm zu entscheiden, was die Zukunft brachte. Ob Avia dieselbe Zukunft für ihn sah, würde er eines Tages herausfinden. Es war ihm ein Verlangen, die Arbeit seines Vaters weiter zu führen. Er wollte herausfinden, was die tatsächliche Botschaft der Kette war, die er an seinem Hals trug und ein Erbstück seiner Familie war. Die Worte seines Vaters nahm er sich sehr zu Herzen, so würde er sich nicht damit begnügen in der Garde seinen Platz zu finden um dem Kaiserreich zu dienen, nein. Er würde herausfinden ob sein Traum ein Wunschdenken war, oder eine tiefere Bedeutung hatte. Sein Glaube an Avia hatte sich in den letzten Tagen verstärkt, glaubte er doch daran, dass der Tod seines Vaters eine tiefere Bedeutung haben musste. Und auch, dass sein Opfer keineswegs sinnlos sein konnte. Sein eigenes Schicksal musste mehr mit ihm vorhaben und er würde alles daran setzen, seine Aufgaben, die ihm auferlegt wurden, zu meistern.
Zum ersten Mal seit Tagen, zuckten seine Mundwinkel in die Höhe und ein sanftes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Wieder erinnerte er sich an die Worte, die er als Kind immerzu seinem Vater gesagt hatte. Erst jetzt wurde ihm klar, dass sein Vater nicht amüsiert war, als er die Worte hörte, sondern vielmehr Stolz auf seinen Sohn. Constantin tastete nach dem Amulett und sprach die Worte leise vor sich hin, in den vergangenen Erinnerungen schwelgend.
Bereits früh morgens verliess Constantin an diesem Tag das Haus. Er trug nicht viel Gepäck mit sich, hatte er doch auch nie einen riesigen Besitz gehabt. Seine Mutter stand in der Eingangstüre und winkte ihm zu. Lelith hielt ihre Hand. Constantin konnte verstehen, dass seine Mutter weinen musste, als er ihr mitteilte, dass er sich bei der Garde einschreiben würde. Sie hatte Angst um ihren Sohn, doch er hatte ihr und seiner Schwester versprochen, sie mindestens einmal in der Woche zu besuchen.
Die Stadt war in einen weissen Mantel gehüllt, die Strassen waren Menschenleer. Es war immer noch dunkel als Constantin durch die Gassen streifte. Kleine Nebelwölkchen bildeten sich vor seinem Mund, als er ausatmete. Hinter ihm waren die einzigen Spuren, die man auf der Strasse sah, diejenigen von ihm selber. Er fand es merkwürdig, dass sein Herz so ruhig schlug. Ihm war zu Ohren gekommen, dass viele junge Männer aufgeregt und gar nervös waren, als sie der Garde beitraten. Constantin jedoch war vollkommen ruhig und gelassen. Er spürte keine Furcht, sondern nur Zuversicht. Jeden Tag hatte er an seinem Körper gearbeitet und seine Kampfküste verfeinert. Dadurch war das Vertrauen in seine Fähigkeiten nur gestiegen.
Seine Schritte verlangsamten sich, als er vor dem Eingang zur Kaserne stand. Licht brannte bereits in den Fenstern und er konnte auch schon Schritte und Stimmen aus dem Hof vernehmen. Tief atmete er ein, bevor ihn seine Schritte durch das Tor in den Innenhof führten. Er konnte einige Rekruten ausmachen, die ihn betrachteten, in dem Moment, da er auf den Hof trat. Ihre Mienen widerspiegelten zurückhaltende Neugierde. Constantin machte einen vollkommen ruhigen Eindruck, wirkte geradezu teilnahmslos. Man konnte ihm ansehen, dass er sich nicht fürchtete. Im Gegenteil, strotzte er nur so vor Selbstvertrauen. Sein Blick schweifte umher, ehe er den Mund öffnete und laut in die Runde sprach.
11. Faoilteach, 660 n. G.
Ein neuer Frühlingsmorgen brach an, die Sonne erwärmte die Umgebung und der Morgentau verdunstete auf den Blättern der Bäume. Constantin wanderte durch die Strassen der Stadt, hielt dabei immer ein offenes Auge, auch wenn er nicht mehr im Dienst war und seinen freien Tag hätte geniessen sollen. Auch an diesem Tag trug er die Insignien der Garde auf sich. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Gardisten, fühlte er sich auch in seiner freien Zeit für das Wohl der Stadt und ihrer Bürger verantwortlich. Der Tumult auf dem Marktplatz drang an seine Ohren, so dass er sich ihm näherte. Bestimmt würde sich seine Mutter und Lelith freuen, wenn er ihnen noch einige Früchte mitbrachte. Seine Aufmerksamkeit wurde auf einen wild schreienden Händler gelenkt, der einen Holzstock in der Hand hielt und damit wild in der Luft herumschlug. Eine kleine Gestalt huschte durch die Menschengraube und versuchte sich von dem Händler und dessen Obststand zu entfernen. Vor Neugierde und wie von einer fremden Hand geführt, näherte sich Constantin der Menschentraube um heraus zu finden, was es mit diesem Tumult auf sich hatte. Er kämpfte sich regelrecht durch die Menschenmenge hindurch, als er die Schreie eines Jungen vernahm, der wie von sinnen um sich schlug, als ein kräftiger Mann ihm an Kragen packte und zum Obsthändler schleifte. Fast im selben Moment erreichte Constantin den Obsthändler, als der Knabe vor dessen Füssen zu Boden geschleudert wurde. Wütend schrie der Händler den Knaben an und bezeichnete ihn als widerwärtigen Langfinger. Die Menschenmenge starrte schweigend zwischen dem Obsthändler und dem Jungen hin und her. Keiner reagierte, oder sagte etwas. Der Händler trat auf den Jungen zu und hob den Holzstock hoch in die Luft an. In der Menge wurden einige Rufe laut, doch niemand der dem Knaben helfen wollte, vielmehr schrien sie nach Blut. Tief in seinem Herzen flammte Wut auf. Geschürt von der Menschenmenge, die so sehr nach Gewalt sich sehnten. Der Arm des Händlers fuhr hinab. Instinktiv schloss der Knabe die Augen und verdeckte seinen Kopf mit den Armen. Ein lauter Knall war zu hören, als der Holzstock zerbarst. Die Menge hielt den Atem an und für einige Sekunden war nichts mehr zu hören. Blankes Metall glitzerte in der Morgensonne, als der Junge seine Augen wieder öffnete und sich im Schatten einer grossen Gestalt wiederfand. Constantin war vor den Jungen gesprungen und hatte mit einem streich seines Schwertes den Holzstock in zwei Hälften geteilt. Der Händler taumelte zurück und schrie überrascht, beinahe verängstigt auf. Wieder flammte der Zorn in den Augen des Händlers auf, doch als er seinen Blick erhob und in das Gesicht von Constantin blickte, trat er rasch noch einen Schritt zurück und nur noch pure Angst war in seinem Gesicht zu erkennen. Der Stumpf des Holzstockes glitt ihm aus der Hand und klapperte zu Boden. Langsam hob Constantin das Schwert an und steckte es zurück in seine Halterung. Ruhig erklang seine Stimme, schien beinahe den ganzen Marktplatz zu füllen. Ein frösteln rutschte den Leuten, vor allem dem Händler über den Rücken.
„Es ist dem gemeinen Volk nicht erlaubt, Urteile zu fällen, oder Strafen aus zu sprechen.“
Constantins Hand verschwand kurz in seiner Tasche ehe er einige Münzen hervorholte und dem Händler zuwarf.
„Für den Ärger, den du mit dem Knaben hattest. Die Garde nimmt sich diesem Fall nun an. Ich werde mich persönlich darum kümmern. Untersteh dich, noch einmal die Hand gegen ein Kind zu erheben Händler… Ansonsten werde ich mich auch um dich kümmern.“
Diese Stille Drohung reichte aus den Händler noch bleicher werden zu lassen, als er es bereits war. Constantin wandte sich zum Knaben um und half ihm auf die Beine. Er griff nach der Hand des Jungen und zog ihn mit sich.
„Komm mit Junge. Ich denke du hast mir einiges zu erzählen.“
Ohne ein Widerwort folgte der Knabe Constantin. Man konnte ihm jedoch ansehen, dass er auf irgendeine Art und Weise doch erleichtert war.
Einige Minuten gingen sie schweigend nebeneinander her. Constantin verlangsamte seinen Schritt und bliebt schliesslich stehen, als er mit dem Knaben alleine auf der Strasse stand. Er wandte sich ihm zu und musterte ihn aus ernst wirkenden Augen.
„Sag mir Junge, wie ist dein Name?“
Er konnte die Furcht in den Augen des Knaben erkennen und so versuchte er sich an einem Lächeln, um ihn zu besänftigen. Am Gesichtsausdruck des Knaben konnte er erkennen, dass dies ihm nicht wirklich gelungen war.
„Ich bin Kain.“, gab er kleinlaut von sich und senkte seinen Blick zu Boden.
„Du weißt, dass Diebstahl schwer bestraft wird oder?“
Kain nickte bei seinen Worten und öffnete den Mund, sagte erst jedoch nichts.
„Dir ist bestimmt auch bewusst, dass ich das Gesetz befolgen muss. Ich bin jedoch gewillt zu hören, warum du den Händler bestohlen hast.“
Kain schluckte leer und begann dann leise zu sprechen. Seine Stimme klang krächzend und Angstschweiss perlte auf seiner Stirn.
„Ich bin ein Waisenkind. Ich hatte Hunger… und ich muss doch auf Shaya aufpassen. Sie hat auch Hunger.“
Constantin griff nach der Hand des Jungen und nickte knapp. Nichts hatte sich bei seinem Gesichtsausdruck verändert. Lediglich seine Augen, schauten nicht mehr mit der Härte auf den Jungen nieder, wie er es noch vor wenigen Minuten getan hatte. Kain führte Constantin durch die Strassen und immer mehr drangen sie in Viertel ein, in denen die Strassen verschmutzt und die Häuser teilweise verwahrlost waren. Constantin hätte es für einen Bretterhaufen gehalten, wäre der Junge nicht durch ein enges Loch geschlüpft, das ihm wohl als Türe diente. Er sah sofort, dass er niemals hindurch passen würde, so wartete er. Es würde ihn nicht überraschen, wenn Kain überhaupt nicht mehr hervorkommen würde und einfach abgehauen wäre. Doch tatsächlich kam der Junge nach wenigen Minuten wieder zurück. An der Hand führte er ein kleines Mädchen, das wie der Junge, nur so von Dreck und Staubiger Erde überzogen war. Die einst schönen Kleider waren verschmutzt und angerissen. Sein Herz zog sich zusammen bei dem Anblick. Die kastanienbraunen Augen des Mädchens lagen wie die des Jungen geradezu ängstlich auf Constantin. Er atmete tief durch ehe er Worte fand.
„Habt ihr Hunger? Ich kenne da einen Ort an dem es bestimmt etwas Leckeres für euch gibt.“
Er sah wie sich die Mienen der Kinder erhellten, doch schienen sie weiterhin misstrauisch zu sein. Doch das knurren ihrer Bäuche überzeugten sie wohl davon, Constantin vorerst zu vertrauen.
Constantin trat, gefolgt von den beiden Kindern in das Haus hinein. Nun hangen sie regelrecht an seinem Rockzipfel, war er doch die einzige Person, die Kain und Shaya in diesem, für sie, nobel wirkenden Haus.
„Mutter? Ich bringe zwei Gäste mit.“
Rasche Schritte waren einen Stock über ihnen zu hören und wie jemand rasch die Treppe heruntereilte. Constantin war nicht überrascht, als seine Schwester um die Ecke gerannt kam und ihm sogleich um den Hals fiel.
„Constantin! Endlich da bist du ja. Ich habe dich vermisst Bruderherz.“
Zum ersten Mal seit langem, musste Constantin auflachen. Es gelang seiner Schwester immer wieder sein Herz zu erwärmen und ihm ein Lächeln zu stehlen.
„Ach du meine Güte… was ist denn mit den beiden geschehen?“
Schon wieder löste sich Lelith von ihm und trat zu den beiden Kindern hin, vor denen sie in die Hocke ging.
„Das sind Kain und Shaya. Ich habe gehofft, dass ihr euch vorerst um sie kümmern könntet, bis ich eine richtige Bleibe für sie gefunden habe.“
Derweil gesellte sich auch seine Mutter zu ihnen. Als sie die beiden schmutzigen Kinder sah, schlug sie sich die Hände vor den Mund und ihre Augen weiteten sich.
„Bei Avia! Lelith. Geh mit den beiden nach oben. Sie sollen sich erst einmal waschen. Gib ihnen Kleidung von dir und Constantin. Ich habe im Schrank noch einige Kleidungsstücke die ihr nicht mehr benötigt. Constantin! Du kommst mit mir. Wir müssen miteinander sprechen.“
Sie hatte den Zeigefinger drohend erhoben und wandte sich bereits wieder um. Er kannte seine Mutter gut genug um zu wissen, dass Widerworte nichts nutzen würden. So folgte er ihr und Lelith ging mit den beiden Kindern wieder die Treppe hoch. Seine Mutter suchte bereits Gemüse und Fleisch hervor um etwas zu kochen, als sie mit ihm sprach.
„Was hast du dir dabei gedacht Constantin? Du kannst doch nicht einfach zwei Kinder mitnehmen und sie hier her bringen? Was denken sich denn ihre Eltern dabei wenn sie das erfahren?“
„Mutter, sie haben keine Eltern. Sie sind Waisen. Ich habe den Jungen erwischt wie er einen Obsthändler beklauen wollte. Ich konnte ihn davor bewahren vom Händler windelweich geprügelt zu werden. Du kannst mir doch nicht vorwerfen, dass ich lediglich versuche den Menschen zu helfen? Vor allem nicht, wenn es sich um Kinder handelt.“
Ein leises Seufzen entfleuchte den Lippen seiner Mutter und sie schenkte ihm ein warmes Lächeln.
„Nein. Böse bin ich dir bestimmt nicht. Ich bin nur überrascht. Als du dich zur Garde gemeldet hast, dachte ich, du würdest alles vergessen, was ich dir beigebracht habe. Du weißt ja, dass ich immer hoffte, du würdest einmal ein Priester werden. Doch Avia hat scheinbar etwas anderes mit dir vor, mein Junge.“
Gierig assen die beiden Kinder den Eintopf seiner Mutter. Sie waren frisch gewaschen und hatte neue, saubere Kleidung an. Das Misstrauen hatten die beiden längst verloren und so waren sie auch ziemlich gesprächig. Es füllte sein Herz mit wärme, als er sah wie fröhlich Kain und Shaya in ihrer Gesellschaft waren. Unmöglich zu glauben, dass er zwei Waisenkinder vor sich hatte. Ihm wurde klar, dass er sich geirrt hatte. Die Kinder hatten es ihm gezeigt, ohne es überhaupt zu wissen.
23. Giblean, 660 n. G.
Er hatte früh morgens die Stadt des Glanzes hinter sich gelassen und war nun auf dem weiten Weg zum Kloster des inneren Friedens. Mehrere male las er die Zeilen in dem Buch, doch die fehlenden Seiten machten es schwierig, irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Dennoch fühlte er tief in seinem inneren, etwas Beunruhigendes an dem Buch. Wer waren die Roten? Konnte es wirklich sein, dass sich seine Befürchtungen bewahrheiten würden und es sich dabei um einen Kult handelte? Ganz sicher war er sich jedoch, dass es sich bei den Roten, die scheinbar auch Zeloten genannt wurden in irgend einem Zusammenhang mit niederträchtigen Dämonen standen. Das Buch selber liess jedoch nicht darauf schliessen, wann genau es geschrieben wurde und ob es vielleicht noch ein Relikt schon längst vergangener Tage war, oder aber erst vor wenigen Monden geschrieben wurde. Sollte dies der Fall sein, so hatte er einen wichtigen Fund gemacht. Denn es war mehr als beunruhigend die Zeilen zu lesen. Kopfschüttelnd nahm er das Buch hervor und las einen Abschnitt nach.
„Wir sind die Roten. Wir dienen ihm und nur ihm, dem diese Welt rechtmässig gehören müsste. Er beschenkt uns mit Wissen und verspricht uns, die Herrscher dieser Welt zu sein, wenn wir ihm helfen sich hier zu nehmen…“
Es war unmissverständlich, dass es um viel mehr ging, als um einen Kult, der im Verborgenen arbeitete. In späteren Abschnitten war noch die rede von vernarbten Gesichtern und dämonischen Fratzen. Gab es tatsächlich Menschen, die in einem Bunde mit Dämonen waren? Noch viel verwirrender waren die geschriebenen Texte im Buch. Erst glaubte er ein Tagebuch gefunden zu haben, doch die Texte, so wie sie geschrieben waren, schienen von verschiedenen Personen zu stammen. Oder aber von ein und der Selben Person, die jedoch allmählich den Verstand verloren hatte. Ein seufzen kam über seine Lippen. Er hoffte sehr, dass er im Kloster Antworten finden würde. Vielleicht wusste dort jemand mehr, oder aber er würde irgendein Schriftstück finden, das über die Diener andere Gottheiten berichtete. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, als er dem Weg folgte und sprach leise:
05.Mart, 662 n. G.
Er sass in der Bibliothek des Klosters, mit einem Stapel voller Bücher zu seiner linken und zu seiner rechten. In der Mitte hatte er ein Buch aufgeschlagen und blätterte darin. Ab und an machte er sich Notizen in ein kleines, in schwarzes Leder gebundenes Buch. Schon mehrere Tage lang las er Buch um Buch in der Bibliothek um irgendeinen Hinweis auf diesen Kult oder diese Gruppe, die sich Zeloten nannte zu finden. Bisher war er erfolglos geblieben. Dennoch hatte er nicht vor auf zu geben. Zumal es noch hunderte weitere Bücher gab, die er durchlesen musste. Es war ihm durchaus bewusst, dass dies sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Mehr als er momentan zur Verfügung hatte, doch wollte er noch einige Tage im Kloster bleiben, ehe er in die Stadt des Glanzes zurückkehrte.
Er vernahm das rascheln von Stoff, als Akasha an seinem Tisch trat und ihm ein weiteres Buch brachte. Auch wenn die Priesterin meistens still war und eine recht neutrale Haltung ihm gegenüber einnahm, so war er dennoch über ihre Anwesenheit erfreut. Irgendwie konnte er es sich nicht vorstellen, vollkommen alleine in der grossen Bibliothek zu sitzen und all die Bücher zu suchen, in denen er Hinweise vermutete. Es war durchaus von Vorteil, dass ihm jemand zugeteilt wurde, der zumindest die Ordnungsweise der Bibliothek kannte. Auch wenn dies mehr mit der Intention getan wurde, ihn unter Beobachtung zu halten. Wie ihm gesagt wurde, gab es einige wertvolle Bücher in den Regalen, die er keinesfalls selber anfassen durfte. Er respektierte dies durchaus und auf eine seltsame Art und Weise, schien ihm ihre Anwesenheit auch gut zu tun. Er verfolgte den Gedanken jedoch nicht weiter, denn dazu hatte er keine Zeit.
So durchwälzte er weiter Buch für Buch, in der Hoffnung irgendeinen Hinweis, wenn er auch noch so klein war, über die Zeloten oder auch die Roten zu finden.
11.Mart, 662 n. G.
„Ich werde nicht weiter zulassen, dass ihr die Bürger dieser Stadt peinigt, wie Dreck behandelt und belästigt, Gardist Duncan.“
Natürlich freute sich Jered nicht darüber, dass Constantin seine Ermittlungen, wie er sagte, behinderte. Doch dieser Abend war der Abend an dem der stetige Tropfen das Fass zum überlaufen brachte. Er würde nicht weiter seine Prinzipien vergessen, sondern so handeln, wie es ihm sein Herz auftrug. Egal wem er sich dabei in den Weg stellen musste. Auch wenn es bedeutete, dass er durch die Garde bestraft wurde, oder sogar zurückgestuft. Auch wenn es als Konsequenz mit sich ziehen würde, die Garde verlassen zu müssen, so hielt er fest an den Prinzipien die er sich schon vor so langer Zeit verinnerlicht hatte. Nie wieder wollte er davon abweichen.
Sehr spät am selben Abend, als er seinen Dienst beendet hatte, folgte er dem Aufruf von Viola, die er zuvor von den Fängen Jereds gerettet hatte. Manch einer hätte ihr bestimmt verdutzt nachgeschaut, als sie zu ihm meinte, er solle nach Dienstschluss bis zum Hafen gehen, wo sie ihm reichlich danken würde. Auch wenn er nicht genau wusste, was die Junge Frau, in seinen Augen noch fast ein Kind, vor hatte, so beschlich ihn die Befürchtung, dass sich weitaus mehr hinter der Fassade befand, die Viola aufgesetzt hatte. Wahrscheinlich hatte Jered recht mit den Worten, als er sagte, dass die Leute der Gosse weitaus mehr sahen, als normale Bürger der Stadt. Tatsächlich wartete sie bereits auf ihn, an dem vereinbarten Ort. Seine Befürchtungen oder vielmehr seine still gehegte Hoffnung erfüllte sich. Viola wusste weit mehr, als sie je in einem Verhör zugegeben hätte. Sie erzählte ihm die Geschichte von dem Tag, an dem der Mord in der Stadt des Glanzes geschehen war. Wie sie berichtete, war sie an diesem Tag auf der Strasse und beobachtete die Leute bei ihrem geschäftigen tun, als ihr ein Mann auffiel, der ihrer Meinung nach sich vor etwas fürchtete. So war sie nicht überrascht, als sie zwei Gestalten erkannte, die dem Mann folgten. Wenn auch vorsichtig und keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehend, so wusste die Junge Frau doch, was diese vorhatten. Merkwürdig war die Schilderung, dass der Verfolgte mit einem Nordmann zusammenprallte und scheinbar so etwas wie eine gläserne Phiole in dessen Tasche verschwinden liess. Was genau in dieser Phiole war, konnte sie Constantin nicht sagen, denn war sie sich dessen auch nicht ganz sicher, was sie gesehen hatte. Auch konnte sie ihm nicht eine genaue Täterbeschreibung geben, da die beiden Mörder, wie sie es ihm schilderte, sich ziemlich schlau angestellt hatten und sie ihre Gesichter nicht sehen konnte. Jedoch berichtete sie ihm, dass der schlankere von ihnen edle Kleidungen trug und auf sie wie ein Adliger wirkte, gefolgt von einem eher dicklichen, wie ein Schläger aussehender Geselle. Der einzige Anhaltspunkt war also der Nordmann, den zu beschreiben Viola nicht möglich war. Doch versicherte sie Constantin, dass sie ihn erkennen würde, wenn er ihr über den Weg lief.
An diesem Abend, als er sich zurück zu der Kaserne begab, spielte er bereits mit dem Gedanken eine Reise an zu treten. Eine Reise in den Norden. Vielleicht konnte er Viola ja davon überzeugen, mit ihm zu gehen.
Aus seinen Gedanken erwachend, fand er sich vor der Stadt des Glanzes wider. Unweit von ihm hinter den Baumwipfeln erkannte er hinter einem Schleier von herunterfallendem Regen die Eulenburg. Es überraschte ihn nicht, dass seine Schritte ihn bis hierhin gebracht hatten. Wieder einmal war er dem jungen Krieger aus dem Süden begegnet. Jafaar wurde er genannt. Er konnte es sich nicht genau erklären, doch wusste er einfach, dass er dem stolzen Mann vertrauen konnte. Im Gegensatz zu vielen anderen Personen aus dem Kaiserreich, war er ein ehrbarer Krieger und immer wieder musste er seine Worte gut wählen, um ihn nicht unabsichtlich zu kränken. Er wusste aus manchen Geschichten, wie temperamentvoll die Menschen dieses Volkes sein konnten. Immer wieder wurde er durch diesen Mann mit neuen Informationen versorgt und noch erstaunlicher war es, dass er bisher noch keine Forderungen gestellt hatte. Scheinbar vertraute der Krieger des Südens auch ihm, Constantin. Es waren lediglich Hinweise, Vermutungen und keinerlei Beweise. Dennoch wusste Constantin einfach, dass es sich bei den Informationen nicht nur um Lügen und Märchen handelte. Zu viel war geschehen in letzter Zeit. Er hatte sich schon so intensiv mit dem roten Konvent auseinander gesetzt, dass es für ihn keinen Zweifel daran gab, dass hinter der Untotenplage und dem Auftauchen des Dämonen nur der Rote Konvent, oder die Zeloten wie sie sich auch nannten, stecken mussten. Die Worte Jafaars beunruhigen ihn umso mehr. Denn sollte er Recht behalten, so befand sich das Kaiserreich in grösster Gefahr. Er musste den Grossmeister unbedingt treffen. Es war nicht nur seine Pflicht als Jünger des Ordens, sondern auch seine Pflicht als Bürger der Kaiserstadt, als Diener Avias.
„Es gibt direkte Hinweise darauf, dass der Rote Konvent existiert und dass er sich dort versteckt, wo ihn niemand vermuten würde. Inmitten der Kaiserstadt. Gerüchten zufolge, und auch darauf gibt es ausschlaggebende Hinweise, gibt es Personen die für das Kaiserreich arbeiten, aber dennoch Verbindungen zum roten Konvent haben. Wenn dies stimmt, kann man auch davon ausgehen, dass es Leute sind, die in höheren Positionen sind. Das heisst, sie haben mehr Macht und besitzen auch die Fähigkeiten Dinge zu veranlassen, die dem Kaiserreich schaden könnten. Ich habe sogar gehört, dass sich der Kaiser seit dem Tod der Kaiserin zunehmest verändert hat. Es ist auf den ersten Blick verständlich, hat er doch seine Frau bei der Geburt seines Kindes verloren. Doch stellt sich die Frage, ob dies der einzige Grund dafür ist? Oder aber wird er vielleicht sogar beeinflusst von solchen, die dem roten Konvent angehören? Selbst der Tod der Kaiserin… starb sie wirklich bei der Geburt?“
Diese Worte stimmten ihn nachdenklich. Er würde sich hüten, jemandem davon zu erzählen, dem er nicht gänzlich vertraute. Es waren Vorwürfe, deren Schwere kaum zu messen war. Würde jemand diese Worte im Kaiserreich verbreiten, konnte er damit rechnen, seinen Kopf zu verlieren. Doch erinnerte sich Constantin auch noch an den genauen Tag, an dem sein Vater gestorben war. Er hatte nie wirklich erfahren warum und wie er starb. Sprach er dieses Thema an, wurde er in Schweigen gehüllt. War nicht auch sein Vater in dem Zeitraum verstorben wie die Kaiserin selbst…
09. Ogmhios, 662 n. G.
Ein kalter Schauer floss über seinen Rücken, als er zu dem Gespräch zurückblickte, das er soeben mit Prior Vechner und dem Grossmeister von Hellbrecht gehabt hatte. Er hätte eigentlich vorgewarnt sein sollen, laut den Ausführungen von ihrer Eminenz Sonnenglanz. Der Prior war tatsächlich ein Mann von äusserst kühler Persönlichkeit. Sein Blick haftete geradezu bohrend auf ihm, als er versuchte, mehr Schlecht als Recht, seinen Bericht ab zu liefern. Es war ihm unmöglich gewesen, die Gesichtszüge des Priors zu deuten, und noch jetzt, da das Gespräch längst vorbei war, wusste er nicht genau, was der Prior genau von ihm dachte. Natürlich. Es war Constantin durchaus bewusst, auf welchem Schmalen Grad er wanderte. Dennoch. Waren es nicht die Worte des Grossmeisters selbst gewesen, die ihn eigentlich noch dazu angespornt hatten, diese Entscheidungen zu Treffen?
„Nur wer den Mut aufbringt der Wahrheit auf den Grund zu gehen, der wird die wahre Gerechtigkeit finden.“
Dass er die Genehmigung nicht erhielt, Schriften über die Dämonenbeschwörung oder allgemeine Dämonologie zu konsultieren, überraschte ihn eigentlich wenig. Was wollte er als einfacher Jünger dahingegen auch bezwecken? Umso mehr war er überrascht, dass der Prior weitere Nachforschungen gut hiess. Auch wenn er dies auf eigene Faust machen musste, ohne die Hilfe einer Drittperson oder durch einen durchaus verbotenen Teil der Bibliotheken der Kirche. Auch wenn das Gespräch schlussendlich nicht zu seinen Gunsten verlief, so hatte Constantin zumindest den Eindruck, war er doch zuversichtlich, was seine Zukünftige Arbeit mit der Probatio anbelangte. Er machte sich ans Werk, neue Erkenntnisse zu sammeln, in der Hoffnung, dass er den oder die Verantwortlichen für das Auftauchen des Dämonen fand und ihrer gerechten Strafe auslieferte.
15. Iuachar, 662 n. G.
Der Tag neigte sich seinem Ende zu als Constantin in die monumentale Kathedrale der Kaiserstadt trat. Das Hauptschiff der Kathedrale wurde durch das vielfarbige Licht der grossen Rosette im Westen durchflutet, als die letzten Sonnenstrahlen durch die farbigen Gläser flossen. Demütigst wurde das Haupt gesenkt und ein Ankh vor der Brust geschlagen. Es war einer jener Momente, die Constantin näher zu Avia brachte. Ganz alleine in der riesigen Kathedrale, vermittelte sie doch gut die Macht und Stärke der Lichtgöttin selbst. Als er den langen Gang entlang auf den Altar zutrat und so im Licht der untergehenden Sonne stand, spürte er selbst durch die farbigen Gläser hindurch ihre Wärme. Eine Wärme die jener Avias gleichkam und jedem Gläubigen die Tränen in die Augen trieb. In der vordersten Reihe setzte sich Constantin hin und seine Hände falteten sich ineinander. Zu einem stummen Gebet schloss er die Augen und nur seine Lippen bewegten sich langsam. So sehr in sein Gebet vertieft, bemerkte er auch nicht als eine Gestalt vor ihn trat und dort verweilte. Erst als er die ihm unbekannte Stimme des Orators vernahm, öffnete er die Augen und war überrascht, den älteren Herrn vor sich stehen zu sehen.
„Der Jünger ist anwesend?“
Constantin blinzelte kurz bei der Frage, stand der ältere Herr doch direkt vor ihm. Es bedurfte dennoch nur eines kurzen Blickes, ehe er die grauen Augen des Mannes bemerkte. Constantin nickte kurz und fasste sich innerlich an den Kopf ehe er ihm rasch antwortete.
„Ich bin anwesend Herr.“
Alleine die Kleidung und den Stab den der Mann mit sich führte, wies deutlich darauf hin, dass er ein Diener der Kirche war. Doch welchen Grad er genau hatte, konnte Constantin auf den ersten Blick nicht erkennen. So waren seine Worte auch eher zögerlich, als er nach längerem Schweigen die Stimme erhob.
„War es Prior Vechner, der Euch hierher geschickt hat?“
Der ältere Herr trat näher zu ihm heran, mit dem Stab vor sich auf dem Boden tastend, ehe er sich neben Constantin auf dem Bank nieder liess. Er legte den Stab sachte gegen seine Schulter und antwortete Constantin mit einem kurzen Kopfschütteln. Merkwürdig war der Klang seiner Stimme. Vielleicht auch dadurch, wie er seine nächsten Worte wählte.
„Der Prior schickt mich nicht. Ich erhielt ein Schreiben und entschied mich den Jünger anzuhören.“
Constantin musste einen Moment lang über diese Worte nachdenken. Nach einem tiefen Atemzug begann er jedoch zu sprechen.
„Ihr habt mein Schreiben erhalten und die Tatsache, dass Ihr mich um ein Gespräch bittet, lässt mich ahnen, dass es einen guten Grund dazu gibt. Es ist mir durchaus bewusst, wonach ich gebeten habe. Doch im Zuge meiner Nachforschungen ist es unabdingbar, dass ich auch über diese… Dinge mehr erfahre. Vielleicht es auch an Euer Ohr vorgedrungen, dass vor wenigen Wochen ein Dämon vor dem Osttor der Stadt erschienen ist?“
Die Antwort des Orators war knapp. Doch schien es keiner weiteren Worte zu bedürfen von seiner Seite. So lauschte er weiterhin den Worten Constantins.
„Es ist Euch also bewusst, dass dieser Umstand sehr unberuhigend ist. Ich bin bestrebt heraus zu finden, warum der Dämon dort aufgetaucht ist. Doch um dies herausfinden zu können, benötige ich mehr Wissen. Man sollte nicht nur seinen Freund, sondern auch seinen Feind genaustens kennen. Ansonsten erfährt man böse Überraschungen.“
Der Orator hob seine Augenbrauen ein wenig ehe sich einige Falten auf seiner Stirn bildeten.
„Ich hörte es gab weitere Verwicklungen?“
„Ja. Es wäre wohl besser, wenn ich mit der Geschichte ganz am Anfang beginne.“
Der ältere Mann nickte kurz und deutete Constantin an weiter zu sprechen.
„Vor vielen Jahren wurde die Magie im Kaiserreich als verboten deklariert. Daraufhin machten sich viele Gelehrte der Magie auf ins Exil. Wie ich zumindest weiss, erschuf sich eine grössere Gruppe von Magiern eine neue Heimat auf der Insel der Träume. Wie ich jedoch auch herausgefunden habe, gab es damals eine Fraktion die sich in die Nebellande zurückgezogen hatte. Dort soll sich aus einer kleinen Splittergruppe der Rote Konvent gegründet haben. Habt ihr auch schon davon gehört?“
„Was die Apostaten propagieren, ist mir bekannt. Doch fahrt fort.“
Constantin hielt kurz inne. Eine gut bedachte Pause ehe er wieder das Wort ergriff.
„Erstmals bekannt wurde der Rote Konvent durch ein Buch, das zu zirkulieren begann. Eine Art Tagebuch, das einst von einem Hexer geschrieben wurde. Die Probatio der heiligen Kirche Avias deklarierte dieses Buch als Ketzerschrift und verbot es. Die Exemplare wurden eingesammelt und was mit ihnen geschah, weiss ich nicht. Entweder wurden sie vernichtet oder weggesperrt. Lange Zeit herrschte Ruhe… doch vor ungefähr zwei Monaten als ich mit der Garde im Westen der Stadt eine höhle von einer Goblinplage befreite, stiess ich auf ein altes, teilweise zerrissenes Buch. Wie sich herausstellte das Xidillium… die ketzerische Schrift des Hexers, die über den Roten Konvent berichtet. Erst nachdem ich in die Bibliothek des Klosters nachforschte, fand ich weitere Hinweise. Unter anderem auch den Namen des Buches und den Namen eines Mannes. Urias von Dengra. Ich fand Berichte von Urias, der scheinbar schon einmal genau über dieses Buch und den Roten Konvent Nachforschungen betrieben hatte. Urias von Dengra… ich habe einiges über diesen Mann in Erfahrung gebracht. Doch finden konnte ich ihn nicht. Stattdessen fand ich seinen Neffen, Krius von Dengra. Ein Mann, der viel über die Expeditionen seines Onkels erfahren hatte. Urias von Dengra war ein guter Freund des Volkes des Südens gewesen. Vor allem von Menelar, ihrem Stammesführer. Zudem stand er ebenfalls in Verbindung mit der Insel der Träume. Aus diesem Grund habe ich versucht mit dem Stammesführer und der Insel der Träume Kontakt auf zu nehmen. Natürlich war es mir nicht vergönnt, den Stammesführer persönlich zu treffen. Dennoch erhielt ich viele nützliche und auch beängstigende Informationen von ihm. Informationen die sich mit jenen deckte, die ich von der Insel der Träume erhalten hatte. Zumindest teilweise.“
Constantin atmete tief durch. Überrascht wandte er seinen Blick dem Orator entgegen als dieser höchst merkwürdige Worte sprach.
„Es wiederholt sich. Das Buch wurde verboten, weil in regelmässigen Abständen das passiert, was hier gerade passiert. Das Buch verwirrt die Menschen. Die Apostaten der Exilinsel erzählen immer eine Geschichte. Natürlich zielt die Geschichte darauf ab, dass sie verbannt wurden und dass das Folgen hatte. Urias von Dengra war ein zweifelhafter Forscher unter der Beobachtung der Probatio. Lediglich der Fakt, der Aussage des südländischen Stammesführers deutet auf mehr hin. Nicht wahr? Doch stichhaltig?“
„Es spielt keine Rolle von wem die Informationen kommen. Was zählt ist Ihre Echtheit. Und was ich vom Stammesführer erfahren habe deckt sich mit den Aussagen von der Insel der Träume. Sie sind mehr als beunruhigend wenn ich sehe, was in und um die kaiserliche Stadt geschieht Herr. Der Rote Konvent existiert. Da bin ich mir sicher.“
„Wisst ihr, warum ich hier bin?“
Constantin schüttelte erst den Kopf, doch erwähnte, dass es bestimmt daran läge, mit welcher Bitte er sich an die Probatio gewandt hatte. Doch der ältere Mann schüttelte den Kopf.
„Ich bin der 254. Orator. In diesem Amt bin ich hier.“
Wieder blinzelte Constantin, ein wenig verdutzt. Doch hatte er sich gleich wieder unter Kontrolle und sprach in ruhigen Worten.
„Dann will ich schweigen und Euren Worten lauschen, bis ihr mir wieder erlaubt zu sprechen.“
„Zu sprechen, das ist meine Aufgabe. Seit vielen Jahren höre ich von diesem Schreckensgespenst. Das eines Verrückten. Dennoch könnte dieses eine Mal etwas anders sein, als die letzten Male. Ihr seid Jünger. Seit wie lange?“
Die Frage kam plötzlich und wie aus der Luft gegriffen. Constantin zögerte kurz. Seine Stimme klang jedoch weiterhin ruhig als er ihm antwortete. Auch wenn es in seinem Inneren drunter und drüber ging in dem Moment.
„Seit einem knappen Monat Herr.“
„Niemand entwirrt die Vorzeichen. Sie sind da. Ich gewähre Euch mein Wissen im Kampf gegen die Bedrohung am Osttor. Erbrachte bewiesene Zusammenhänge müssen an den Prior herangetragen werden.“
Ein sanftes Lächeln zeigte sich nun zu ersten Mal seit dem Beginn des Gespräches auf Constantins Lippen.
„Dafür bin ich Euch sehr dankbar Orator Pheoda. Natürlich werde ich all meine Erkenntnisse und Fortschritte an den Prior weiterleiten. Sowie dem Grossmeister.“
Der Orator nickte sachte und sprach dann weiter. Worte von enormer Wichtigkeit, doch so sehr verschlungen und in sich gekehrt, dass es Constantin schwer fiel sie zu verstehen.
„Es ist an etwas gebunden. Es ist immer an etwas gebunden. Sei es ein Ort, ein Gegenstand oder eine Person. Sucht, beobachtet. Ihr habt ihn gesehen. Ihr seid ihm in den Weg gestanden. Erzählt mir davon.“
„Wir waren ausserhalb der Stadt, in der nähe des Osttores und kämpften gegen untote Geschöpfe. Als wir den letzten seiner Art niedergestreckt hatten… es entstand… oder bildete sich so etwas wie ein Riss… ein Strudel in der Luft. Aus dem erst Arme herausragten die den Riss dann vergrösserten und sich eine riesige, gehörnte Gestalt daraus erhob. Mit zwei grossen ledernen Schwingen auf seinem Rücken. Über seine Fähigkeiten kann ich nur sagen, dass er sehr, sehr stark war und Feuer erschaffen konnte das buchstäblich aus dem Boden selbst heraustrat.“
Der Orator hob seine Hand an und unterbrach den Jünger des Ewigen Ordens.
„So befand er sich nicht in den alten Minenschächten. Also ist er auch nicht an einen Ort gebunden.“
„Richtig. Aber auch nicht an einen Gegenstand. Ich glaube vielmehr, dass es eine oder mehrere Personen gibt, die ihn irgendwie kontrollieren. Der Grossmeister sagte mir jedoch, dass es unwahrscheinlich wäre, wenn es mehrere Personen einbeziehen würde. Denn wenn ich mich recht entsinne, sprach der Dämon von einem… Meister oder zumindest etwas ähnlichem. Und ich befürchte auch, dass sich diese Person hier in der Stadt befindet.“
„Dies sind Annahmen Jünger. Doch müsst ihr die Wahrheit finden. Ich kenne nur Wahrheiten. Dafür gab ich das Licht des Tages und sehe auch die Nacht nicht. Ihr werdet nach Antworten suchen und ihr werdet sie finden Jünger.“
Constantin lauschte den Worten des Orators und bestätigte sie mit einem kurzen Nicken.
„Wenn Ihr die Wahrheit kennt… darf ich Euch eine Frage stellen? Über ein Thema, das mich schon seit langem beschäftigt.“
„Fragt.“, war die knappe Antwort des Orators. Constantin benetzte sich kurz die Lippen und stellte ihm die Frage, die schon seit so langer Zeit auf seinem Herzen lag.
„Wie ist mein Vater gestorben?“
„Wie es sein Weg sein musste, um euren Weg zu beschliessen.“
„Ihr seht weder das Licht des Tages noch die Dunkelheit der Nacht. Doch Ihr kennt die Wahrheit und seid Weise. Darf ich Euch noch eine letzte Frage stellen? Vielmehr Euch etwas zeigen?“
Schon fast ein süffisantes Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Orators als er Constantin sagte.
„Wenn ihr in der Lage seid, mir etwas zu zeigen. Nur zu.“
Der Jünger griff um seinen Hals und zog die Silberkette aus. Das einzige Erbstück, dass ihm von seinem Vater geblieben war und reichte es dem Orator. Nur kurz hielt er es in der Hand und reichte es Constantin zurück.
„Er war mir unterstellt. Das Zeichen jener, die meine weltlichen Dienste verrichten und dem Schutz gewähren, was meine Aufgabe ist. Wir akquirieren jene, die sich verdient machen. Euer Vater folgte den Zeichen. Ich erlaube Euch dieses Amulett in Ehre zu halten und zu tragen. Doch erwähnt nie, was ich jetzt sage.“
Der Orator wartete bewusst ab, bis Constantin ihm dies bestätigt. Wenn auch er schwer schlucken musste. Würde er gleich ein Geheimnis erfahren?
„Die Probatio ist Gross. Ihr kennt den Prior Vechner bereits. Seine Aufgaben sind andere. Doch wir beobachten beide. Ich gab mein Leben für eine Ehre. Und mir unterstellt sind jene, die der Suche der Wahrheit auf eine andere Weise dienen. Ich sehe und sie schützen mich. Helfen mir zu deuten. Jener, der dieses Amulett trug half mir zu deuten. Er suchte nach einer Wahrheit. Zusammen mit anderen. Und starb im Kampf um diese Wahrheit. Die Wahrheit, ob die Vorzeichen Sinn ergeben. Einige haben sich bewahrheitet, andere wird die Zeit bringen.“
„Was ist mit dem Tod der Kaiserin? War das ein Zufall, dass es in derselben Nacht geschah? Oder war dies etwas das sich bewahrheitet hat?“
„Viel wichtiger ist was vor euch liegt. Eine hand die sich schützend über jemanden legt. Als Jünger werdet ihr nie alles wissen. Auch danach nicht, jedoch mehr. Euer Weg liegt vor euch und ihr wisst, wohin eure Beine euch bringen müssen. Erweist euch als der, dessen Weg ich sehe.“
„Das werde ich Orator. Ich hoffe, dass Ihr mir Euren Rat geben werdet, so ich ihn benötige?“
„Es sei euch gewährt.“
„Soll ich Euch noch zum Ausgang der Kathedrale geleiten Orator Pheoda?“
Der Orator schüttelte sachte den Kopf und erhob sich von dem Bank.
„Ich verlasse die Kathedrale nicht. Das Feuer der Drachen mit euch, Jünger.“
Mit für einen blinden Mann sehr sicheren Schritten entfernte er sich von Constantin und verschwand hinter der nächsten Mauer. Das Öffnen und schliessen einer Türe war zu hören. Dann herrschte wieder Stille in der Kirche. Die Nacht war bereits über die Stadt eingebrochen. Constantin richtete seinen Blick gen Altar. Seine Lippen bewegten sich als er leise Worte sprach.
„Ich danke dir Avia.“
20. Iuachar, 662 n. G.
„Avia mit Euch, Jünger des Ordens.“
Es überraschte Constantin nicht, als der Orator diese Worte an ihn wandte. Sanft neigte er ihm respektvoll sein Haupt entgegen.
„Der Lichtherrin Segen mit Euch, Orator Pheoda.“
Auch Akasha richtete er seine Grüsse aus und nickte ihr zu. Sie blieb derweil stumm stehen. Nur ein kurzes Nicken kam in seine Richtung. Langsam trat Constantin neben Akasha und richtete seinen Blick wieder auf den Orator. Abwartend auf weitere Worte der Aufklärung.
„In Anbetracht der Lage, dessen was an meine Ohren getragen wurde, ergehen hiermit zwei Erlasse, die sowohl die Aspirantin als auch den Jünger des Ordens betreffen.“
Er legte eine kurze wohl gewählte Pause ein, ehe er seine Worte weiterführte.
„Als Orator darf ich mitteilen, dass ihr fortan Aspirant des Ordens und im Dienste der Probatio die weiteren Nachforschungen führen werdet. Mit allen Berichterstattungen.“
Constantin blinzelte kurz und warf dem Orator einen erstaunten Blick zu, ehe er sich wieder fasste und kurz nickte.
„Das werde ich Orator…“
„Aufgrund der weiteren Geschehnisse, habe ich Prior Vechner gesprochen. Das Gespräch drehte sich um eine Glaubensprüfung eines Medicus und die vorhergehende Geschichte, die sich darum dreht. Ich bestimme hiermit, um der Aspirantin ihre Möglichkeit einer Bewährung einzuräumen, dass sie dem Aspiranten des Ordens ihre volle Unterstützung bei seiner neuen Aufgabe zukommen lässt.“
Constantin wandte seinen Blick von dem Orator ab und musterte kurz Akasha. Ihre Miene wirkte derlei ausdruckslos und ihre nächsten Worte schien sie gut gewählt zu formulieren.
„Man entband mich von sämtlichen Aufgaben Orator.“
„Hiermit hebe ich diese Entscheidung in Übereinkunft mit Prior Vechner auf. Sie hat vernommen, was ihre neue Aufgabe sein wird. Wurden meine Worte vernommen?“
Verwirrung machte sich in Constantin breit. Er hörte zum ersten Mal davon, dass Akasha von irgendwelchen Aufgaben entbunden wurde. Jedoch wagte er nicht, das Gespräch der beiden zu unterbrechen.
„Nein.“
War die schlichte Antwort Akashas. Das Erstaunen Constantins nahm weiter zu und instinktiv spannte er sich an.
„Welche meiner Worte wünscht sie noch einmal zu hören?“
„Der Oberste der Probatio warf mir Hochmut und Stolz vor. Nahm mir die Insignien der Kirche und verbannte mich ins Kloster. Ich denke, dass ich ein Recht auf ein paar Antworten habe.“
Gespannt wanderte Constantins Blick zwischen den beiden hin und her. Sichtlich war er verwirrt ob dieses Gespräches, doch schien er langsam zu verstehen worum es sich hier drehte.
„Als Orator kann ich das Recht auf Antworten einräumen. Dennoch ist ihre Aufgabe nicht nur vorrangig, sondern zugleich Bedingung mir Fragen zu stellen.“
„Was geschieht, wenn ich es ablehne.“
Die Augen von Constantin weiteten sich ein wenig. Hatten ihn seine Ohren getäuscht, oder sprach Akasha tatsächlich davon, die Aufgabe des Orators, der Probatio ab zu lehnen?
„Es ist äusserst unüblich, ein derartiges Verhalten an den Tag zu legen. Vielleicht würdet ihr somit zur Jüngerin werden. Vielleicht würde die Kirche einen Ausschluss in Erwägung ziehen. Jedoch habe ich mich dafür eingesetzt, Euch eine Aufgabe zur Bewährung zu geben. Prior Vechner ist anderer Auffassung darüber.“
„Und wieso solltet Ihr Euch für mich einsetzen?“
„Ich kenne die Antworten.“
So schlicht diese Aussage auch klang, so tiefgründig war doch ihre Meinung. Es herrschte Stille in der Kirche. Constantin glaubte, seinen Herzschlag in der weite des Schiffes zu vernehmen, ehe Akasha diese Stille wieder unterbrach.
„Ich hatte immer geglaubt, die Kirche wäre ein Ort der Zuflucht und der Stärkung des Glaubens. So lange ich sie mein zu Hause nennen konnte. Offenbar habe ich dabei jedoch nie gemerkt, dass ich nur eine von vielen Schachfiguren bin.“
„Wir sind die Zuflucht für die Gläubigen Aspirantin und auch jene, die diesen Zuflucht gewähren. Das ist der Weg des Priesters, dem viele Prüfungen auferlegt werden. Es gibt keine Ausnahmen. Ich verlange nicht, dass ihr der Gefahr entgegen tretet. Ich verlange, dass der Aspirant des Ordens jede erdenkliche Unterstützung erhält.“
„Mit anderen Worten handelt es sich nicht um eine Bitte, sondern viel mehr um eine Forderung.“
„Es handelt sich um eine Prüfung zur Bewährung des Standes, Aspirantin.“
Wieder herrschte schon eine fast bedrückende Stille, ehe Akasha wieder das Wort ergriff.
„Ich weiss es nicht.“
„Was davon?“
„Ob auch nur eines Eurer Worte stimmt. Ob dies wirklich mein Weg ist. Ob es sinnvoll ist zu zustimmen oder sinnvoll ist abzusagen.“
Der Mund Constantins öffnete sich einen Spaltbreit. Mit ungläubiger Miene betrachtete er nun Akasha. Die Stimme des Orators bebte, verärgert über diese Worte.
„Ihr wagt es meine Worte als Unwahrheit und Lüge zu bezeichnen?! Ich, der das Licht meiner Augen gab, um mehr zu sehen?! So wird das Schicksal Euch ins Kloster führen, bis über Euer weiteres Schicksal in dieser Kirche bestimmt wurde. Ihr dürft gehen Aspirantin!“
Wie vom Blitz getroffen starrte Akasha den Orator an, öffnete langsam Ihren Mund, schloss ihn dann jedoch wieder und wandte sich ohne ein weiteres Wort ab. Eiligen Schrittes die Kirche verlassend. Constantin wollte sie erst zurückhalten, besinnte sich jedoch dann eines besseren und blickte ihr stattdessen wehmütig nach.
„Euch Aspirant des Ordens, wird jemand anderes zur Unterstützung zugewiesen. Eine Jüngerin. Ihr erhaltet darüber Nachricht.“
Die Stimme des Orators wirkte nun wieder vollkommen ruhig, wenn auch er gebeugt dasass, als hätte ihn die vorhergehenden Worte viel Kraft gekostet.
„Dem ist nichts Weiteres zuzufügen Aspirant des Ordens. Er mag jetzt ebenfalls gehen.“
Gerne hätte er etwas gesagt, doch wagte er es nicht die Autorität des Orators zu untergraben. Demütig senkte er sein Haupt.
„Ich danke Euch Orator. Avias ewiger Segen mit Euch.“
„Das ewige Feuer auf Euren Wegen.“
Er warf dem Altar noch einen kurzen Blick zu, ehe er mit eiligen Schritten die Kathedrale verliess. War es seine Aufgabe oder Pflicht Akasha zu folgen? Sie zur Rede zu stellen, ihr eine Stütze zu sein? Er wusste es nicht. Dennoch versuchte er sie an diesem Tag noch zu finden. Doch die Stadt war gross.